„BERLINER SCHLÖSSERMARATHON“: ENTSPANNT LAUFEN MIT STEPHAN SCHILLHANECK-DEMKE

Rund ums Jahr organisiert Stephan Schillhaneck-Demke private Läufe und immer wieder auch Marathons, bei denen die Zeit eher unwichtig ist
Zweiter Teil des Schlössermarathons: Frauen und Männer laufen vom Mombijoupark bis zur Zitadelle Spandau – durchs bunte Berliner Leben.
Zweiter Teil des Schlössermarathons: Frauen und Männer laufen vom Mombijoupark bis zur Zitadelle Spandau – durchs bunte Berliner Leben.
Torpedo steht für den Spitznamen des Ultraläufers und Marathonorganisators Stephan Schillhaneck-Demke, für seine Laufgruppe „LRG Torpedo Berlin“ und die „Torpedo-Lauf-Serie“, eine längst überfällige Bereicherung der Berliner Laufszene. Das nächste Highlight ist übrigens der „Berliner Schlössermarathon“ (Teil drei) am 3. Oktober, ein urbaner Punkt-zu-Punkt-Kurs vom Schlosspark Biesdorf zum Schlosspark Lichterfelde.

„Immer wieder habe ich im Gespräch mit anderen Läufern gehört, dass viele müde sind von den großen Events und nicht so viel Geld bezahlen wollen“, erinnert sich Stephan Schillhaneck-Demke an die Anfänge seines Engagements als Lauf- und Marathonerfinder. Seit 2016 organisiert er privat kleine Läufe mit Laufgruppencharakter, bei denen Wettkampf und Training ineinander übergehen.

Für eine Spende von 25 Euro bietet er unter anderem reichlich Verpflegung, ausgemessene Strecken, Kleideraufbewahrung, Fotos, Urkunden und bei jeder Veranstaltung eine andere ausgefallene Medaille. Von den meist 20 bis 30 Teilnehmern sind viele Stammkunden wie Sigrid Eichner oder Jana und Michael Bieler, die bei Torpedos „30. Wuhlheide-Veteranen-Marathon“ kürzlich ihren 100. Marathon absolvierten – das Entree in den „100 Marathon Club“.
                   
„Immer wieder habe ich gehört, dass viele Läufer müde sind von den großen Events.“
Stephan Schillhaneck-Demke
Olympia Marathon: Fotopause bei der Statue von Son Kee Chung kurz nach dem Start.
Olympia Marathon: Fotopause bei der Statue von Son Kee Chung kurz nach dem Start.
Nicht nur die Veteranen wissen, dass es den Wuhlheide-Klassiker oder den Team-Marathon im Plänterwald seit vielen Jahren nicht mehr gab. Nun wurden beide „Dinosaurier“ von Stephan alias Torpedo wiederbelebt. Seinen Spitznamen erhielt er aufgrund seiner Qualitäten im Sprint und seinem einstigen Faible für den russischen Fußballverein „FK Torpedo Moskau“.

Sein aktuelles Faible fürs Organisieren begann mit „Maccaby Run Series”: fünf Zehn- Kilometer-Läufe im Park am Gleisdreieck, die jüdischen Sportlern gewidmet waren. Viele der diesjährigen 27 Läufe erinnern an eine Persönlichkeit wie den koreanischen Läufer „Son Kee Chung“, der am 9. August 1936 in Berlin mit 2:29:19 Stunden den Marathonlauf gewann.

Son Kee Chungs „trauriger Sieg“ für Japan (siehe auch die nächste Seite) inspirierte Stephan zum „Olympia Marathon“, der am 10. August nun schon zum vierten Mal auf der originalen Strecke von 1936 ausgetragen wurde. Seit der Premiere ist dies Torpedos Jahreshöhepunkt mit rund 60 Finishern.
            

Steckbrief Stephan Schillhaneck-Demke

Geboren 17.6.1959 in Berlin, Spitzname Torpedo
Beruf Erzieher, Heilpädagoge und Schulsozialarbeiter, Zirka 44 Marathons gelaufen, 2019 Ultra-Premiere beim 100-Meilen-Lauf
Verein LG Mauerweg Berlin e. V. Gründer zweier
Laufgruppen LRG Torpedo Berlin und Independent Berlin Wall Trail Runners
Nische und Gegenbewegung zu den Massenläufen

Torpedos Philosophie kennt kein „Did not finished“: „DNF hat bei uns Hausverbot, denn man kann je nach Tagesform seine Distanz während des Rennens nach oben oder unten korrigieren“ – so steht es auf der Webseite. Ohnehin bieten die Ausschreibungen pro Lauf meist mehrere Streckenlängen an. Die Läufer bringen also bei Torpedo ihre eigene Laufharmonie ein.


Ein entspanntes und solidarisches Erlebnis war der zweite Teil der Schlössermarathon-Trilogie, der vom Monbijoupark zur Zitadelle Spandau führte. Ursprünglich sollten die Schlösser die Highlights des Laufs werden. Das ging schief: die Highlights waren die Menschen. Wie schön, dass bald der dritte Teil folgt.
Joanna Zybon

Mit Herz und Verstand

Der Marathon-Sieg von Son Kee Chung ist 1936 ein taktisches und körperliches Meisterstück. Und ein trauriges Kapitel
„BERLINER SCHLÖSSERMARATHON“: ENTSPANNT LAUFEN MIT STEPHAN SCHILLHANECK-DEMKE Image 2
Son Kee Chung, bekannt unter seinem japanischen Namen Son Kitei (geboren 1912 in Shingishū, damaliges Japanisches Kaiserreich, dann Nordkorea; gestorben 2002 in Daejeon, Südkorea) war 1936 zusammen mit seinem Teamkameraden Nan Shōryū der erste koreastämmige Medaillengewinner bei den Olympischen Spielen in Berlin (Foto links).

Der patriotische Son weigerte sich während der Olympischen Spiele 1936 mit seinem japanischen Namen zu unterschreiben, lief am 9. August mit 2:29:19,2 Stunden einen neuen olympischen Rekord und wurde mit über zwei Minuten Vorsprung vor dem Briten Ernie Harper Olympiasieger. Hierbei verhielt sich Son taktisch klug, indem er den Argentinier Juan Carlos Zabala (Olympiasieger 1932) bis zur Hälfte des Rennens ziehen ließ, bis Son das Tempo anzog, Zabala und Harper um mehrere Minuten distanzierte und ungefährdet den Sieg holte. Nach dem Sieg betonte Son, dass sein Sieg nicht nur auf körperliche Ausdauer, sondern auch auf mentale Willenskraft zurückzuführen war: „Der menschliche Körper kann nur zu einem bestimmten Maß etwas leisten. Danach müssen Verstand und Herz übernehmen.“
                  
Hinter dem Namen des Siegers, der an der Ehrentafel im Berliner Olympiastadion eingraviert ist, verbirgt sich eine Lebensgeschichte, die nur eine koloniale Epoche hervorbringen kann. Dort steht: „Kitei Son, Japan“, die japanische Version des koreanischen Namens Kee Chung Son. Die Japanisierung von Namen gehörte damals zur Kolonialpolitik. Bis zu seinem Tod im Jahr 2002 stand das Leben des Marathonsiegers deshalb im Zeichen zweier Namen und seines „traurigen Siegs für Japan“. Der Streit um Namen und Nationalität dauert sogar heute noch an.
                
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An der Glockenturmstraße gibt es eine Bronzestatue zu Ehren von Son Kee Chung. Hier führte damals die Strecke des Marathons entlang.
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