BEACH 61: VOLLEYBALL-OASE IM BERLINER PARK AM GLEISDREIECK

„Park am Gleisdreieck“ – was für ein schnöder Name für diese multifunktionale Open-Air-Sportarena mit Bahnromantik, Strandleben, „Bronx“-Attitüde, Spielwiesen, grünen Korridoren, Biotopen und Graffiti-Monumenten. Ein Herzstück ist die Volleyball-Oase „Beach61“
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Kein typisches Touri-Programm absolviert Simon, der mit seinem BMX-Rad so viele Stunts wie möglich zeigen will, während im Hintergrund Basketball gespielt wird.
Die Atmosphäre hier ist so toll, es fehlt nur noch das Meeresrauschen aus den Lautsprechern“ schwärmt Markus (53) während einer Verschnaufpause beim Beachvolleyball-Spiel auf einem der 42 Plätze der „Beach61“-Anlage. Es ist ein typischer Sommerabend im August. Alle Plätze sind belegt, überall fliegen Bälle, jeder hat Sand zwischen den Zehen. Dazu Sonne, frische Luft, Strandbar, Musik, gute Laune – ganz gleich wie stressig der Arbeitstag der Gäste war, das Strandgefühl sorgt schlagartig für Urlaubsstimmung. „Die Atmosphäre hier ist sooo toll!“ – dieser „Satz“ wiederholt sich immer wieder. Wie passend, denn der Begriff „Atmosphäre“ steht ja auch für die untere Luftschicht, in der die Bälle sich aufhalten sollten, sofern die Teams technisch sauber spielen. Was nicht immer gelingt.

„Manche Teams trainieren auf hohem Niveau, andere spielen Räubervolleyball: Der Ball fällt dauernd runter, aber trotzdem rümpft niemand die Nase“, berichtet Petra (55) begeistert. „Dann gibt es Teams, die vier gegen vier antreten – oder sogar sechs gegen sechs. Richtig wäre zwei gegen zwei, doch das kümmert niemanden. Auch die Klamotten sind egal, einige Leute spielen sogar in Jeans. Es ist hier so schön unprätentiös!“

Markus und Petra sind verheiratet und gehören zu einem Team aus zwölf Spielern und Spielerinnen zwischen 22 und 55 Jahren, die für die ganze Saison jeden Mittwochabend zwei Plätze fest gebucht haben. Mit Sebastian, Maja, Ricard und dem Rest der Truppe verabreden sie per WhatsApp die wöchentliche Besetzung. Die Platzmiete wird geteilt. Sie beträgt je nach Wochentag und Tageszeit zwischen 15 und 20 Euro pro Stunde.

Außerdem bietet „Beach61 Kurse“ und Fun-Turniere an. Der Zutritt zu dem Sandkasten inklusive rustikaler Strandbar, Pizzeria, Toiletten und Duschen ist jedoch kostenlos. „Viele Berliner oder Touristen kommen hierher und spielen gar nicht, sondern trinken etwas, genießen die Stimmung und entspannen sich“ erzählt Petra. „Es wird gemunkelt, dass die Anlage geschlossen werden soll, um Wohnungen zu bauen. Das wäre schade, denn wir brauchen auch Platz für Erholung!“

Dazu David Trebs (36), stellvertretender Geschäftsführer des Kreuzberger „Beachpark61“: „Das Grundstück ist noch für zehn Jahre gemietet, Vermieter ist die Grün Berlin GmbH. Gerüchte über einen geplanten Wohnungsbau haben keine Grundlage.“
                                  
Läuferin Christiane hat es gut: sie wohnt in Parknähe. Im Sommer freuen sich die Läufer im Park über mehrere Trinkbrunnen.
Läuferin Christiane hat es gut: sie wohnt in Parknähe. Im Sommer freuen sich die Läufer im Park über mehrere Trinkbrunnen.
Das „Beach61“ wurde schon 2005 mit 18 Feldern im Möckernkiez eröffnet und zog 2010 auf das heutige Gelände, weil das alte zu klein geworden war. Die „61“ im Namen spielt auf die frühere Kreuzberger Postleitzahl an.

Rückwärtssalto mit halber Drehung

Für andere Sportstätten des Parks am Gleisdreieck muss man keinen Cent ausgeben, zum Beispiel für die Skateanlage, in der so spektakuläre Stunts gezeigt werden, dass man theoretisch von den Zuschauern Eintritt verlangen könnte. Andererseits werden die Skateboarder, BMX-Künstler und Roller-Kids von der Aufmerksamkeit der Umstehenden erst richtig angestachelt. Das gilt auch für die BMX-Fahrer und Berlin-Besucher Kevin (28) und Simon (21).

Beide absolvieren ein höchst abwechslungsreiches Sightseeing-Programm: sie testen die Skateparks der Hauptstadt. Brandenburger Tor? „Hab ich noch nie gesehen“, bekennt Kevin, der zum zweiten Mal in Berlin ist. „Auch bei meinem ersten Besuch war ich bloß in Skateparks unterwegs.“ Kevins und Simons „Berlin-Souvenirs“ sind nicht materiell: Die Jungs sammeln Lenkrad-Drehungen, 360-Grad-Drehungen oder Rückwärtssalti mit halber Drehung.

Ab in den Korb

Hinter der Skateanlage liegen die Basketball-Plätze. Hauptsprache: Denglisch. Wie bei den Skatern organisieren sich die Sportler untereinander, was mal mit, mal ohne Konflikte erfolgt. Weil an diesem warmen Sommerabend sehr viel Konkurrenz anwesend ist, müssen alle Spielwütigen sich zunächst in eine Schlange stellen und am Korb ihre Wurfqualitäten beweisen. „Wer trifft, darf danach mitspielen. Wer nicht trifft, guckt zu“, erklärt der kleine Julian (10), der leider einen Korb bekommt und auf der Zuschauerbank landet, auf der sich viele lümmeln, die ohnehin ausschließlich zum Abhängen kommen.

Über allem klappert die Hochbahn

Viel los ist auch auf den Fußballplätzen und bei den Tischtennisplatten, auf allen Wiesen und Wegen, wohingegen die Fitnessgeräte verweisen. Joggerin Christiane (39) erbarmt sich und bringt Leben in den Crosstrainer. Im Sonnenuntergang reflektiert die Hochbahn, die über dem 26 Hektar großen Parkgelände rattert, die letzten Strahlen. Nebenbei akzentuiert sie die technischen Reize des Parks, der auf einem ehemaligen Bahngelände entstanden ist. Wie museale Schätze liegen verrostete Gleise und andere Bahnrelikte zwischen Beton, Natur und Sportanlagen.
Joanna Zybon

Aktivareal & Ruheoase inmitten der Stadt

Beliebte Nord-Süd-Achse für Radfahrer, beliebte Sportarena: Der Park am Gleisdreieck gehört zu den schönsten Grünanlagen. Das liegt auch an einer gelungenen Parkarchitektur neben alten Gleisen
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Gewachsene Wildnis und gestalteter Freiraum, erholsamer Rückzugsort und vielseitig nutzbare Freiflächen – am Gleisdreieck ist ein City-Park neuen Typs entstanden. Von Beginn an haben dabei die Anwohner engagiert mitgewirkt. Der rund 26 Hektar große Park am Gleisdreieck, bestehend aus dem Ostpark und Westpark, hat sich so von einer unzugänglichen Brachfläche zu einem generationsübergreifenden Lieblingsort für die Berliner und Touristen entwickelt. Wo vor hundert Jahren ein Bahnknotenpunkt mit industriell geprägtem Umfeld war, bietet heute Berlins moderner Volkspark den passenden Platz für alle: Skater, Jogger, Spaziergänger, Beachvolleyballer, Picknick- und Sportfans, Naturentdecker und Technikbegeisterte.

Dieser grüne Korridor mit dem Nord-Süd-Grünzug, Monumentenplatz, Flaschenhalspark und Park am Gleisdreieck ermöglicht auf einem durchgängigen Wegesystem vom Natur-Park Südgelände in Schöneberg über die Parkanlagen am Potsdamer Platz bis zum Tiergarten im Grünen zu spazieren, mit dem Fahrrad zu fahren oder zu skaten.

Von 1874 bis zu seiner Zerstörung im Zweiten Weltkrieg wurde das Gelände in Verbindung mit dem Anhalter Bahnhof und Potsdamer Bahnhof als Güter- und Postbahnhof genutzt. Bis zu einem schweren Unfall 1912 kreuzten sich hier die Bahnlinien in Dreiecksform – daher die Namensgebung. Nach 1945 wurde der Personen- und Gütertransport eingestellt, lediglich S- und U-Bahn durchquerten noch das ehemalige Bahngelände, das sich allmählich zur unzugänglichen Stadtbrache entwickelte. 1997 beschloss das Land Berlin den Bau der Parkanlage, die mittlerweile über die Grenzen Berlins hinaus als vorbildhaft gilt.

             

Daten & Fakten

Lage Bezirk Friedrichshain- Kreuzberg, zwischen Landwehrkanal, Möckernstraße, Yorckstraße und Flottwellstraße

Größe 26 Hektar – Ostpark 17 ha, Westpark 9 ha

Planung Atelier Loidl, Berlin

Eröffnung September 2011 (Ostpark); Mai 2013 (Westpark)

Preise & Auszeichnungen Architekturpreis Berlin 2013, Sonderpreis Deutscher Städtebaupreis 2014, Deutscher Landschaftsarchitektur-Preis 2015
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Yorckbrücken

Die Yorckbrücken sind ein unübersehbarer Bestandteil der Parkanlage. Der größte Teil der Yorckbrücken wurde für die Berlin-Anhaltische Eisenbahn entworfen und ab etwa 1870 gebaut. Von den insgesamt 45 Gleisachsen, die die Yorckstraße kreuzten, sind neun Brücken noch in Betrieb (vier für die S-Bahn, vier für die Fern- und Regionalbahn, eine für die Anbindung des Deutschen Technikmuseums), 24 Brücken sind noch vorhanden. Einige Brücken werden momentan für Fußgänger und Radfahrer saniert (Foto).
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Technikmuseum
Berlin

Ein Flugzeug vom Typ Douglas C-47 („Rosinenbomber“) steht als Blickfang auf dem Dach des Deutschen Technikmuseums am Landwehrkanal. Das Museum ist Teil der Technikgeschichte rund um den Gleisdreieck-Park. Zwischen Anhalter Bahnhof und dem ehemaligen Dresdener Bahnhof mit der heutigen STATION Berlin konnte sich auf alten Bahnflächen eine reizvolle Freizeitanlage mit viel Grün entwickeln.
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FOTOS Mike Wolff / Joanna Zybon / A. Mühl / Claudia Heinstein dpa

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