ARD EXPERTE HAJO SEPPELT

Im Gespräch mit dem bekanntesten Doping-Enthüller des Spitzensports
Hajo Seppelt ist der bekannteste Doping-Enthüller des internationalen Spitzensports. Seine TV-Dokus entlarven Doping-Systeme in der ganzen Welt, zum Beispiel in Russland, Kenia, Brasilien, Österreich, Thailand oder Deutschland. Viele Berliner kennen den ARD-Experten aber auch als Live-Reporter und Mitbegründer der rbb-Laufbewegung.
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„Sport als gesellschaftliche Kraft fand ich immer enorm wichtig. Spitzensport sehe ich meist mit anderen Augen“
Ist das weltweite Doping-Kontrollsystem aufgrund der Corona-Restriktionen immer noch außer Gefecht gesetzt?
Es ist von Land zu Land weltweit unterschiedlich. Das Kontrollsystem ist zwar in vielen Regionen wieder angelaufen, aber reduziert. Die deutsche NADA hatte ab März mit den Dopingtests erstmal ganz pausiert, diese erst zwei Monate später mit Einschränkungen wieder anlaufen lassen. Inzwischen hat sie das Pilotprojekt „Dried Blood Spot“ gestartet, ein Dopingtest auf Basis nur eines Bluttropfens. Dies könnte das Testsystem vereinfachen. Aber richtig ist: Die Corona-Zeit bot gerade zu Beginn Schlupflöcher für Doper.

Ursprünglich wollten Sie Sportlehrer werden, stattdessen sind Sie Journalist geworden und berichten regelmäßig über Doping und Korruption im Spitzensport. Auf welche Ihrer bisherigen Enthüllungen sind Sie besonders stolz?
Es ist nichts Einzelnes hervorzuheben. Jede Reportage hatte ihren eigenen Wert. Wir haben korrupte Strukturen, Missetäter, Betrug und auch menschenrechtlich fragwürdige Vorgänge aufgedeckt. Worauf ich aber schon ein bisschen stolz bin: dass wir es als Dopingredaktion geschafft haben, große Systeme zu hinterfragen beziehungsweise ein ganzes Sportsystem in Russland so zu beleuchten, dass die Vernünftigeren dort am Ende einräumen mussten, dass wir nicht falsch lagen.
„Die Corona-Zeit bot gerade zu Beginn Schlupflöcher für Doper“
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Hajo Seppelt

* 12.6.1963 in Berlin. ARD-Reporter, Investigativjournalist, Führender Kopf der ARD-Dopingredaktion, Geschäftsführer der Produktionsfirma Eye-Opening. Media in Potsdam, Buchautor

Studium
Sportwissenschaften, Französisch, Sozialkunde und Publizistik an der FU Berlin

Frühere Aufgaben
u. a. Jugendreporter beim SFB; Freier Mitarbeiter bei der DPA und beim Tagesspiegel; Live-Kommentator der ARD bei Olympischen Spielen und anderen Sportgroßereignissen im Schwimmen

Auszeichnungen
Viele Preise, darunter Bundesverdienstkreuz, Hans-Joachim- Friedrichs-Preis für Fernsehjournalismus und Deutscher Fernsehpreis

Motto
„Ich versuche immer ehrlich zu sein“
Wie geht es den Whistleblowern Julia und Witali Stepanow?
Es geht ihnen gut. Sie leben an einem sicheren Ort in Nordamerika, sind zufrieden mit ihrem Leben, leben sich ein. Sie betonen oft, dass sie ihren Schritt noch nie bereut haben.

Haben Sie schon mal die Dienste von Personenschützern in Anspruch nehmen müssen?
Ja, in bestimmten Situationen passt man auf mich auf.

Wissen Sie noch Ihre Marathon-Bestzeit?
3:16 Stunden beim Amsterdam-Marathon 2003, den ich zusammen mit John Kunkeler gelaufen bin.


Den Berlin-Marathon kennen Sie sowohl als Läufer als auch als Reporter ...
... über keine andere Veranstaltung habe ich häufiger berichtet! Angefangen 1985 für den SFB, später immer wieder als Live-Reporter für Radio oder Fernsehen, vom Spitzen- und Breitensport, darunter oft bunte Stücke vom Rand und aus verschiedenen Perspektiven. Dieser Marathon war und ist die beste Visitenkarte der Stadt! Er zaubert den Menschen ein Lächeln ins Gesicht. Sein Herz ist der Breitensport. Heute würde ich ihn lieber wieder einmal laufen als über die Spitze berichten zu müssen. 2001, nachdem ich selbst mitgelaufen war, haben wir im Sender die SFB-Laufbewegung gegründet, die später rbb-Laufbewegung hieß: ein Lauftreff für Jedermann, der ein sehr positives Echo fand. Sport als gesellschaftliche Kraft fand ich immer enorm wichtig. Spitzensport sehe ich meist mit anderen Augen.

Welche der Marathon-Weltrekorde der vergangenen Jahre könnten Ihrer Ansicht nach sauber gelaufen worden sein?
Keine Ahnung. Der Berlin-Marathon muss damit leben, dass man Zweifel an den Leistungen der Spitze haben muss. Die Krux ist: Wenn Doping im Sport unentdeckt bleibt, profitieren zunächst einmal alle davon – Sportler, Trainer, Manager, Veranstalter, Sponsoren, Funktionäre und Politiker – weil durch Doping die Leistung und damit die Attraktivität des Events gesteigert wird. Wird Doping hingegen aufgedeckt, verkehrt sich das Ganze ins Gegenteil. Der Skandal ist da, das Produkt wird unattraktiver, alle verdienen womöglich weniger. Deshalb ist Doping aus meiner Sicht für die, die Spitzensport promoten, so ein schwieriges Thema.
„In bestimmten Situationen passt man auf mich auf“
In Ihrem Buch „Feinde des Sports“ finden sich kleine Seitenhiebe auf Kollegen, die zu sehr mit Athleten verbandelt sind. Wie sollte ein Sportjournalist heutzutage angemessen berichten?
Nicht nur heutzutage! Beim „Sportjournalismus“ erhoffe ich mir die Betonung weniger auf dem Wort „Sport“ als auf dem Wort „Journalismus“. Leider lassen manche Sportreporter die Distanz zum Berichterstattungsgegenstand allzu oft vermissen.

Welchen Sporttreiben Sie selbst in Ihrer vermutlich knappen Freizeit?
Laufen, schwimmen, wandern. Außerdem gehe ich gern in die Sauna – auch wenn dies kein Sport ist (schmunzelt).
Joanna Zybon

Auf die richtige Dosis kommt es an

Was Freizeitsportler über gesundes Training wissen sollten ...
                   
Der Experte Rüdiger Reer, Professor und Leiter im Arbeitsbereich Sport- und Bewegungsmedizin der Universität Hamburg und Generalsekretär des Deutschen Sportärztebundes (DGSP), gibt Auskunft
1.
Stärkt Ausdauersport wie Laufen, Radfahren oder Schwimmen das Immunsystem?
Grundsätzlich ja, aber es kommt auf die richtige Belastungsdosierung an. Sport verhält sich wie ein umgekehrtes „U“. Das bedeutet: Wenn man sich zu gering belastet, also wenig oder keinen Sport treibt, treten Krankheiten wie zum Beispiel Infektionen vermehrt auf. Wenn man allerdings zu viel und zu intensiv Sport treibt, dann wird das Immunsystem auch geschwächt. Dann kann man ebenfalls anfälliger werden für Infektionen. Die richtige Dosierung macht also die Wirkung. Wer Sport im Rahmen des Gesundheitssports mit einer mittleren Belastung betreibt, kann damit sein Immunsystem deutlich steigern. Bei richtiger Belastungsdosierung werden bestimmte Immunzellen vermehrt und können so Erreger besser abwehren.
2.
Darf man mit einer Erkältung laufen? Oder besser nicht?
Man muss dabei unterscheiden, um was für eine Erkältung es sich handelt. Bei einer bakteriellen,  eberhaften Erkrankung sollte man auf keinen Fall Sport treiben, weil sich später am Herzen oder an der Niere Schädigungen einstellen könnten. Stattdessen sollte man eine Sportpause einlegen und eine antibiotische Therapie machen. Handelt es sich aber nur um einen leichten Schnupfen mit einer gewöhnlichen Erkältungssymptomatik, dann kann man durchaus weiter Sport treiben. Man sollte ihn aber anpassen, indem man beispielsweise die Belastungsintensität oder die Dauer reduziert. Wenn jemand zum Beispiel jeden Tag mit einer Geschwindigkeit von zwölf Kilometern eine Stunde joggen würde, dann könnte er den Lauf auf eine halbe Stunde reduzieren und / oder die körperliche Aktivität gegebenenfalls indoor durchführen.
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3.
Ab wann kann man das Training – nach einer Erkältung oder einem grippalem Infekt – wieder aufnehmen?
Wenn man nach einer bakteriellen Erkrankung pausiert hat, kann man wenige bis sieben Tage nach Beendigung der Medikamenteneinnahme und nach Symptomfreiheit wieder mit dem Training beginnen. Dabei sollte man langsam aufbauend in den Sport einsteigen und sich dann langsam steigern.
4.
Wie entsteht Seitenstechen?
Es gibt viele Theorien dazu und wenig Belege. Die wahrscheinlichste Theorie ist folgende: Beim Sport findet im Körper eine Umverteilung von Blut statt, man verdaut in gewisser Weise, hat also einen Grundumsatz im Magen-Darm-Trakt. Und das wird zugunsten der Muskulatur umverteilt, abhängig von der Intensität der sportlichen Aktivität. Dadurch verformen sich Leber und Milz etwas. Es kommt zu einer höheren Anspannung der Leber- und Milzkapsel. Beide Organe sind sehr schmerzempfindlich. Diese Verformung der Organe – das bestätigen auch Ultraschallbilder – und bindegewebliche Strukturen, an denen die Organe aufgehängt sind und an denen gezogen werden, führen dann zu dem Seitenstechen.
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5.
Was hilft am besten gegen Muskelkater?
Prävention ist natürlich am besten, damit ein Muskelkater gar nicht auftritt. Dazu zählt das Aufwärmen vor dem Sport sowie Auslaufen und Stretchen nach dem Training. Es geht ja um Mikrorupturen in der Muskulatur, die es zu vermeiden gilt. Sie kommen vor allem dann zustande, wenn man sich überlastet. Das heißt, wenn man in einem schlechten Trainingszustand ist oder für den entsprechenden Trainingszustand viel zu viel macht, oder auch bei Bremsbelastungen, wenn man beispielsweise einen Berg hinuntergeht. Ist der Muskelkater erst mal da, ergibt sich folgende Problematik: Um Reparaturmaßnahmen einzuleiten und die Mikrorupturen zu heilen, ist es gut, die Durchblutung zu erhöhen, indem man sich weiterhin bewegt. Dabei muss man aber die kontralateralen, nicht vom Muskelkater betroffenen Strukturen belasten. Wenn man etwa im rechten Bein einen Muskelkater hat, dann sollte man das linke Bein bewegen. Das erhöht den Blutstrom und dient der Reparatur der Mikrorupturen in der Muskulatur, die den Muskelkater auslösen.
6.
Muss man zusätzlich mit einer entsprechenden Ernährung das Immunsystem stärken, wenn man viel Sport treibt?
Eine ausgewogene Ernährung hat eine zusätzlich positive Wirkung auf das Immunsystem Sie sollte eisenhaltig und vitaminreich sein. Besonders die Vitamine C, A und D spielen dabei eine Rolle. Und man sollte auch nicht zu viel essen und damit Übergewicht induzieren, weil das Immunsystem unter Umständen durch Entzündungen geschwächt werden kann.
7.
Kann Laufen gegen Depressionen helfen und warum?
Ja, das hilft, weil Glückshormone ausgeschüttet werden. Serotonin und Endorphine (sind im Körper gebildete Morphine), die einfach glücklich machen und gegen Depression und depressive Verstimmungen helfen. Zudem stellt sich das Gefühl ein, etwas erreicht zu haben. In einer Gruppe zu trainieren, kann auch helfen.
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